Funktionsbeschreibung eines Gleichdruckvergasers am Beispiel eines BING Typ64

 

Erläuterung

 

Der BING Typ64 ist der 32mm Vergaser der BMW 2Ventil-Boxer, den man bei den Modellen R80, R80 R, R80GS, R80 G/S, R80 ST und ähnlichen Modellen findet. Später wurde insb. bei der R100 GS und der R100R Typ 94 (40mm) verwendet. Gleichdruckvergaser findet man aber auch von anderen Firmen in vielen weiteren Motorradmodellen. Bevor man Einspritzanlagen verwendete, fand man diesen Vergasertyp auch im PKW-Bereich, z.B. beim guten, alten Mercedes-Benz der /8-Serie. Das Prinzip ist überall dasselbe.

 

Ich fahre eine BMW R80 G/S mit Typ64-Vergaser und da hat man, gerade wenn sie älter sind doch immer mal hier und da einen Fehler oder es gibt was einzustellen.

 

Damit man richtig diagnostizieren und den Vergaser richtig einstellen kann, habe ich hier einmal die prinzipielle Funktionsweise beschrieben. Damit, so hoffe ich, versteht man das Prinzip und kann sich selbst bei Problemen helfen, die möglicherweise mit dem Vergaser zu tun haben. Es ist nämlich auf der anderen Seite ziemlich sinnlos, mögliche Symptome aufzuschreiben und Lösungsvorschläge zu machen, da Probleme am Vergaser vielfältig sind und oft auch kombiniert auftreten. Motiviert durch den Leitspruch, dem Problem mit Know-How zu begegnen und nicht mit Check-Liste, habe ich diesen Text verfasst. Ein Wort zum Quellen-Nachweis: wesentliche Teile gehen auf die Datenblätter der Firma BING zurück.

Details, insb. zur Konstruktion, Montage und Einstellung, findet man in den Datenblättern unter www.bing.de

 

 

Das Prinzip

 

Fangen wir an mit der grundsätzliche Definition laut Hersteller:

Der Bing-Gleichdruckvergaser ist ein Flachstrom-Drosselklappen-Vergaser mit veränderlichem Luftrichter. Das ist wichtig, darauf kommen ich noch zurück. Zentral unter dem Lufttrichter befindet sich das Doppelschwimmersystem. Der Typ64 besitzt zudem einen Drehschieber-Startervergaser. Sein besonderes Merkmal ist der Gasschieber, der an einer Rollenmembrane aufgehängt ist und in den Vergaserdurchlass ragt. Er verändert den engsten Querschnitt, den Lufttrichter, des Vergaserdurchlasses in Abhängigkeit vom dort herrschenden Unterdruck.

 

Die Zulaufregelung

 

Der Schwimmer des Vergasers besteht aus zwei Kunststoffkörpern. Aufgabe des Schwimmers ist es, die Kraftstoffhöhe im Vergaser konstant zu halten. Hat der zulaufende Kraftstoff die vorgeschriebene Höhe im Schwimmergehäuse erreicht, wird der Schwimmer soweit angehoben, daß die Schwimmernadel gegen den Sitz des Schwimmernadelventils gedrückt wird und den weiteren Zulauf von Kraftstoff unterbricht. Dieses Ventil dient nur der Zulaufregelung und nicht als Absperrventil. Daher ist der Benzinhahn am Tank stets zu schliessen, wenn der Motor abgestellt wird. Die Entnahme von Kraftstoff aus dem Vergaser durch den Motor bewirkt eine Absenkung des Kraftstoffspiegels und damit des Schwimmers. Die Schwimmernadel gibt die Bohrung des Ventils frei und es kann wieder Kraftstoff vom Tank zulaufen. Der Schwimmer ist so konstruiert, dass er einen möglichst konstanten Schwimmerstand hat. Der ist vor allem wichtig bei Volllast, denn sonst bekommt der Motor bei Vollgas und hohen Drehzahlen nicht genug Kraftstoff.

 

 

Das Hauptreguliersystem mit Druckregler

 

Die vom Motor angesaugte Gemischmenge und damit seine Leistung wird durch das Öffnen bzw. Schliessen der Drosselklappe geregelt. Wie funktioniert das im Einzelnen.

 

Zur Drosselklappe:

Wird die Drosselklappe mittels Gaszug geöffnet entsteht infolge der stärkeren Luftströmung ein höherer Unterdruck auf der dem Zylinder zugewandten Seite gegenüber der Luftfilter-Seite. (Eigentlich ist der Unterdruck auf der Zylinder-Seite der Differenz-Druck zum Aussendruck, aber das ist hier eigentlich unerheblich)

 

Was passiert beim „Gasgeben" ?

Die Druckänderung (also der an der Zylinder-Seite herrschende Unterdruck) ist beim "Gasgeben" sprich Drosselklappenöffnung (also Beschleunigungsversuch) nur von der Luft-Strömung abhängig. Dieser Unterdruck zieht den Kraftstoff durch die Nadeldüse. Und zwar jetzt in diesem Moment etwas mehr als kurz vorher.

Mit anderen Worten, der grössere Kraftstoffstrom saugt dabei kurzzeitig eine höhere Menge

Kraftstoff mit sich mit.

 

Welche Rolle spielt dabei der Regelkolben ?

Bei niedrigen Drehzahlen reicht der Unterdruck nicht zum Ansaugen ausreichender Kraftstoffmengen durch die Nadeldüse aus. Daher wird mittels Kolben, der in einer Gummi-Membran aufgehängt ist, der Querschnitt verengt und der Druck und die Strömungsgeschwindigkeit „künstlich" erhöht bzw. regelt.

 

Der Kolben sorgt also dafür, dass der Luftquerschnitt an dieser Stelle so geregelt angepasst wird, dass eine Mindestströmungsgeschwindigkeit und deshalb auch ein Mindestunterdruck, welcher zur Förderung von Kraftstoff ausreicht, nicht unterschritten werden kann. Würde der Kolben zu früh hochziehen, wäre der Druck ggf. zu gering. Daher ist nicht nur das Eigengewicht des Kolbens wichtig, sondern auch die Federn. Der Regelung durch den Kolben ist nur dann optimal, wenn die Federn in ordnungsgemäßen Zustand sind.

(Anmerkung die „Federn" findet man, wenn man den Vergaserdeckel abmontiert, sie befinden sich innen im Regelkolben. Der Raum unter diesem Deckel ist sozusagen der „Druckausgleichsbehälter" Dort ist auch die Membran eingehängt.)

 

Mit anderen Worten heisst das, dass bei geringerer Drehzahl die Öffnung klein gehalten wird, sodass die Luft eine höhere Geschwindigkeit erreicht und durch die, an dem Engpass entstehenden Verwirbelungen, sich gut mit dem Kraftstoff vermischt. Steigt die Drehzahl infolge "Gasgebens" wird der Durchmesser vergrössert.

 

Der Kolben wird aufgrund des Differenzdrucks (also je nach angesaugter Luftmenge bei Öffnen der Drosselklappe) gegen die Feder hochgezogen (dafür gibts entsprechende Bohrungen und Kanäle) bis oberhalb der Membran, der gleiche Druck herrscht, wie im Vergaserdurchlass. Der Differenzdruck ist hier der Druckunterschied zwischen

der Luftfilter-Seite und der Zylinder-Seite des Vergaserdurchlasses.

 

Bei langsamen Gasgeben und beim Vollgasbeschleunigen aus geringen Drehzahlen sorgt auf diese Weise der Kolben als Druckregler für einen Mindestunterdruck, der flach ansteigt, bis der Regelkolben den Vergaserdurchlass vollständig freigibt hat. Ist er ganz offen arbeitet der Vergaser wie ein Drosselklappenvergaser mit festem Lufttrichter.

 

Würde man den Querschnitt mittels Regelkolben nicht variieren, hätte man also kaum eine

Chance auf konstante Strömungsgeschwindigkeit mit dem Ergebnis, dass man keine optimierte Gemischaufbereitung erhält. Und man könnte den Mindestunterdruck nicht aufrecht erhalten! Das der Motor dann nicht schön läuft ist sicher klar.

 

 

Die Düsennadel

 

Im Teillastbereich sowie bei Vollgas und geringer Drehzahl, also wenn der Regelkolben den Vergaserdurchlass teilweise verengt, wird weniger Kraftstoff benötigt als bei Vollgas und hoher Drehzahl. Der Zufluss des Kraftstoffes zum Vergaserdurchlass muss deshalb gedrosselt werden.

 

Erreicht wird das mit einer Düsennadel, welche mit dem Regelkolben verbunden ist und in die Nadeldüse eintaucht. Je noch Abmessung eines flachen Kegels am Ende der Düsennadel wird ein größerer oder kleinerer Ringspalt zwischen Düsennadel und Nadeldüse freigegeben. Die Befestigung der Düsennadel im Regelkolben kann in vier verschiedenen Positionen erfolgen, welche wie der Kegel der Düsennadel die angesaugte Kraftstoffmenge beeinflussen. "Nadelstellung 3" bedeutet beispielsweise, das die Düsennadel mit der dritten Kerbe von oben in die Klemmfeder eingehängt ist.

 

Ist man der Motorcharakteristik nicht zufrieden, insb. Verbrauch und Leistung bei Vollgas, kann man auch ggf. mit anderen Hauptdüsen experimentieren. Z.B. grössere Hauptdüse und tieferer Nadel (Bei der R80 ist die serienmässige HD die 135er)
Ich persönlich halte zwar nicht viel davon, aber insb. nach Modifikationen am Motor kann es nötig sein.

 

Das Leerlaufsystem

 

In seiner untersten Lage gibt der Regelkolben des Vergasers zwar noch einen Luftquerschnitt frei, beeinflußt jedoch nicht mehr die Kraftstoffzufuhr (durch die Nadeldüse), da der Unterdruck nicht mehr ausreicht. Die Bildung und Zufuhr des Gemischs erfolgt dann über ein Hilfssystem, das Leerlaufsystem. Der Kraftstoff gelangt in diesem Betriebsbereich durch eine kalibrierte Bohrung in die Leerlaufdüse, wo er mit Luft vermischt wird, welche durch die Leerlaufluftdüse und Querbohrungen in die Leerlaufdüse eintritt. Die Leerlaufluftdüse ist eine Bohrung auf der Luftfilterseite des Vergasers und keine austauschbare Düse wie die Leerlaufdüse o.ä. Das dort gebildete Vorgemisch fließt durch die Leerlaufaustrittbohrung, deren Querschnitt mit Hilfe der Gemischregulierschraube verändert werden kann, und durch Bypass - bzw. Übergangsbohrungen in den Vergaserdurchlass. Im Leerlaufbetrieb ist die Drosselklappe fast vollständig geschlossen, so dass der vom Motor erzeugte Unterdruck nur auf die Leerlaufaustrittsbohrung wirkt, durch die demgemäss Kraftstoff austritt.

Durch die Übergangsbohrungen tritt in diesem Bereich Luft ein. Wird die Drosselklappe weiter geöffnet, so werden auch die Übergangsbohrungen zur Motorseite der Drosselklappe hin "frei" und werden dadurch zusätzlich an der Kraftstoffzufuhr beteiligt. Im anschließenden Bereich bis "Vollgas" wirkt das gesamte Leerlaufsysterm an der Gemischbildung zwar grundsätzlich mit aber nicht so merklich. Beim Gasgeben gibt es zunächst einen Übergang in den sogenannten Teillastbereich (hier ist die Gemischbildung des Leerlaufsystem noch stark beteiligt). Man merkt durchaus einen "kraftvolleren" Übergang beim Beschleunigen aus unteren Drehzahlbereichen, wenn der Leerlauf nicht zu mager eingestellt ist. Der Einfluss des Leerlaufsystems nimmt jedoch über den Drehzahlbereich immer mehr ab, da die Gemischbildung durch den Düsenstock (Hauptdüse/Nadeldüse/Zerstäuber) bis und vor allem bei "Vollgas" dominiert wird. Der Motor dreht auch "weicher" unten raus, wenn das Leerlaufgemisch möglichst gleich eingestellt ist (Stichwort Synchronisation).

Die Leerlaufdüse ist gegen das Vergasergehäuse mit einem Gummiring abgedichtet, der verhindert, dass Kraftstoff unter Umgehung der Leerlaufdüse über das Gewinde angesaugt wird. In ähnlicher Weise besitzt auch die Gemischregulierschraube einen Gummiring, der gegen den Zutritt von Falschluft abdichtet. Außerdem ist diese Schraube mit einer Feder gegen selbständiges Lösen gesichert.

 

Vergaserabstimmung BMW 2V-Boxer (Bing-Vergaser Typ 64 bzw. 94)

Veränderliche Komponenten sind:

Leerlaufdüse (LD)
Hauptdüse (HD)
Nadeldüse/Mischrohr (ND)
Nadelposition (NPos)

Die Nadel selbst ist je BING-Vergasertyp eigentlich gleich.
Mit der Einschränkung, dass es verschiedene Konstruktionen der Befestigung gab.
Insb. beim Typ64 ab Bj.05/83.
Ansonsten gibt es die Nadel für den Typ 64/32 (46-251) und eine für den Typ 94/40 (46-371)

Serienmässige Bestückung:

Typ64 (LD für alle 44-353/45)
(64/32/305-306, G/S und ST Bj 81-84, sowie frühere RT (Bj. 82-84)
HD: erst 145 dann 148 ab 05/83 HD 135, Nadeldüse/Mischrohr 45-196/2,64, ab 05/83 2,68, Düsennadel 46-251, Npos. 4

(64/32/349-350, R80 R, R80 GS, Bj. ab 88, R80 G/S (G/S, ab Bj. 03/85)
HD: 135, Nadeldüse/Mischrohr 45-196/2,68, Düsennadel 46-251, Npos. 3

(64/32/353-354, R80, R80 RT, Bj. 84-95)
HD: 135, Nadeldüse/Mischrohr 45-196/2,68, Düsennadel 46-251, Npos. 3

(64/32/363-364, R100 RS, R100 RT, Bj. 86-96)
HD: 135, Nadeldüse/Mischrohr 45-196/2,66, Düsennadel 46-251, Npos. 3

Typ 94 (LD für alle 44-353/45)
(94/40/105-106, R100 S, R100 RS, R100 RT, Bj. 76-84)
HD: 170, Nadeldüse/Mischrohr 45-196/2,66, Düsennadel 46-371, Npos. 2
z.T. auch HD: 170, Nadeldüse/Mischrohr 45-196/2,68, Düsennadel 46-371, Npos.2
z.T. auch HD: 160, Nadeldüse/Mischrohr 45-196/2,66, Düsennadel 46-371, Npos.3

(94/40/123-124, R100 GS, R100 R, Bj. 88-96)
HD: 150, Nadeldüse/Mischrohr 45-196/2,66, Düsennadel 46-371, Npos. 3

Alle Angaben natürlich ohne Gewähr. Im Zweifel bei BMW oder Bing nachfragen, dabei die Fahrgestell-Nr. angeben.

Grundsätzliches zur Veränderung

Der Vergaser ist mit der sereinmässigen Bestückung für den allgemeinen Gebrauch in unseren Gefilden abgestimmt. D.h. u.a. bzgl. Höhe/Luftdruck, Temperatur, aber auch Luftfilter bzw. Ansaugtrakt allg.

Eine Änderung ist normalerweise nicht nötig, sofern der Motor serienmässig ist. Das sieht anders aus, wenn z.B. ein 800er Boxer auf 1000ccm umgebaut wird. Oder ein anderer Luftfilter mit größerem Luftdurchsatz zum Einsatz kommt. (z.B. Austausch Plattenluftfilter gegen Rundfilter früherer Baujahre). Dann muss im Regelfall die HD etwas größer gewählt werden. Das findet man am Besten durch probieren. Also schrittweise erhöhen. Zum Glück sind Hauptdüsen Pfennigsartikel (oder sagt man jetzt Centartikel?)

Auswirkungen:

1. Leerlaufgemisch-Schraube (Grösse und Einstellung): Wird die Gemisch-Schraube weiter rausgedreht, wird mehr Benzin befördert, d.h. der Leerlauf wird fetter. Dies wirkt sich beim natürlich auf das Standgas aus und im unteren Drehzahlbereich beim Gasgeben. Optimales Gemisch bedeutet, der Motor nimmt "untenrum" beim Übergang in den Teillastbereich gut Gas an.

2. Nadelposition (Pos1 = Klemmring ganz oben, Nadel hängt ganz tief) Nadel höher hängen bedeutet Gemisch wird im Teillastbereich etwas fetter, was u.U. etwas mehr Durchzug bedeuten kann. Befindet man sich in grösserer Höhe (z.B. Alpenpässe) kann man das Gemisch durch Tieferhängen (Pos. 2 oder ganz exterm auch 1) etwas abmagern.

3. Hauptdüse Die Hauptdüse ist vor allem für den Vollgasbereich zuständig. Eine zu grosse Düse führt zur Überfettung bei Vollgas. Man verbraucht eigentlich nur unnötig viel Kraftstoff. Eine zu kleine Düse führt aber u.U. zu einem zu mageren Gemisch.

Noch ein Hinweis zur Gemischzusammensetzung. Ein Motor bzw. seine Betriebstemperatur wird nicht unwesentlich von der Gemischzusammensetzung bestimmt. Eine zu magere Einstellung führt u.U. zur Überhitzung und damit zu Motorschäden.

Eine zu "fette" Zusammensetzung hält die Temperatur in Grenzen, beinträchtigt aber die Leistung und erhöht den Kraftstoffverbrauch. Darüberhinaus vermischt sich unverbrannter Kraftstoff mit dem Motoröl, was zu Verschlechterung der Schmierung und übermässiger Ölkohlebildung führt. Es ist also wichtig die richtige Abstimmung zu finden.